rosettenfreak
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@Auden James
-- Murakami:
Richtig, auch der Titel der Neuübersetzung ist jetzt näher am Original und lautet: "Südlich der Grenze, westlich der Sonne."
Noch deutlicher wird das ganze bei "Die Chroniken des Aufziehvogels" (früher: "Mister Aufziehvogel").
Die hervorragende Neuübersetzung von Ursula Gräfe hat nicht nur fast 300 Seiten mehr, sondern man liest wirklich ein anderes Buch.
In der ersten Übersetzung wurden wichtige Passagen einfach weggelassen. Passagen, die mir damals fehlten und ich mich fragte: Hat Murakami seinen eigenen Roman eigentlich verstanden? Was wollte er uns sagen? Hat er ihn vielleicht zu schnell veröffentlicht? Fehlen da Teile? Etc.
Es fehlten tatsächlich wichtige Teile. Das lag aber nicht an Murakami, sondern am Übersetzer.
Man muss sich bei den alten Ausgaben wirklich fragen, ob man tatsächlich Murakami gelesen hat oder den Übersetzer.
Das gilt sicher auch für Hard-Boiled Wonderland."
Keine Ahnung, ob dieser Roman inzwischen schon in neuer Übersetzung vorliegt? Es wäre wohl zu wünschen.
Leider bin ich der japanischen Sprache nicht mächtig, aber bei H. Murakami ist mir besonders aufgefallen, welchen Unterschied die Übersetzer machen, was die englische und deutsche Ausgabe anlangt. Das ist bei der besagten Gefährlichen Geliebten bereits am Titel abzulesen, der auf englisch nämlich nicht das geringste mit seinem deutschen Pendant gemein hat: South of the Border, West of the Sun. Das scheint mir allerdings weitaus näher am Original zu sein, dessen Titel 国境の南、太陽の西 lautet und von einem KI-Übersetzungsdienst als Südlich der Grenze, westlich der Sonne wiedergegeben wird, was so ziemlich genau dem englischen Titel entspricht (und dem der deutschen Neuübersetzung). Von irgendeiner Geliebten oder irgendeiner Gefahr ist da nirgends die Rede!
Nicht uninteressant ist, wie ich finde, die drei Übersetzungen (englisch, deutsch und deutsch neu übersetzt) bei dieser Gelegenheit einmal zu vergleichen. Beispielhaft sei das für den ersten Absatz des Romans hier vorgenommen:
Die Unterschiede zwischen den Übersetzungen sind erheblich, weshalb ich mich unweigerlich frage, was bei H. Murakami wohl im Original stehen mag. Vielleicht gibt es hier ja rein zufällig jemanden mit entsprechenden Japanischkenntnissen? Abgesehen davon frage ich mich natürlich, wie originalgetreu eine Übersetzung aus dem Japanischen in eine indogermanische Sprache überhaupt sein kann, da die Sprachen sich in ihrer Grammatk so grundlegend unterscheiden.
Interessant auch dieser Atlantic-Artikel über die Einflußnahme der Übersetzer auf die englischen Ausgaben H. Murakamis Romane, die David Karashima zufolge erhebliche Eingriffe vorgenommen hätten (Kürzungen um 100 Seiten etc.). Da ich für mich Murakami in den englischen Übersetzungen entdeckt und gelesen habe, frage ich mich im nachhinein, ob ich überhaupt wirklich Murakami gelesen habe – oder nicht vielmehr Alfred Birnbaum, der auch sein Meisterwerk Hardboiled Wonderland übersetzte (oder vielmehr erschuf)?
-- Murakami:
Richtig, auch der Titel der Neuübersetzung ist jetzt näher am Original und lautet: "Südlich der Grenze, westlich der Sonne."
Noch deutlicher wird das ganze bei "Die Chroniken des Aufziehvogels" (früher: "Mister Aufziehvogel").
Die hervorragende Neuübersetzung von Ursula Gräfe hat nicht nur fast 300 Seiten mehr, sondern man liest wirklich ein anderes Buch.
In der ersten Übersetzung wurden wichtige Passagen einfach weggelassen. Passagen, die mir damals fehlten und ich mich fragte: Hat Murakami seinen eigenen Roman eigentlich verstanden? Was wollte er uns sagen? Hat er ihn vielleicht zu schnell veröffentlicht? Fehlen da Teile? Etc.
Es fehlten tatsächlich wichtige Teile. Das lag aber nicht an Murakami, sondern am Übersetzer.
Man muss sich bei den alten Ausgaben wirklich fragen, ob man tatsächlich Murakami gelesen hat oder den Übersetzer.
Das gilt sicher auch für Hard-Boiled Wonderland."
Keine Ahnung, ob dieser Roman inzwischen schon in neuer Übersetzung vorliegt? Es wäre wohl zu wünschen.